Atemtherapie und Stressreduktion nach überstandener COVID-19 Infektion
DigiVID19 – digitale Physiotherapie auf VR-Basis
Primäres Ziel des Forschungsprojektes „DigiVID19“ ist die Entwicklung einer immersiven VR-Anwendung zur Atemtherapie und Stressreduktion. Dies bezieht sich hauptsächlich auf PatientInnen mit einem Post-/Long-COVID-Syndrom, jedoch eigenen sich die integrierten Übungen auch für andere Lungenkrankheiten wie COPD.
Anfang Januar 2021 entstand somit eine Kooperation aus dem TDG-Bündnis in Halle (Translationsregion digitalisierte Gesundheitsversorgung), einem Software-Entwicklern und der LichterSchatten – Therapiezentrum GmbH zur gemeinsamen Entwicklung einer entsprechenden VR-Anwendung. Der ursprüngliche Softwareentwickler ist im Laufe des Jahres 2022 ausgestiegen, sodass Ende 2022 der Entwickler Prefrontal Cortex die Arbeit an der Anwendung weiterführte. Das vom Bundesforschungsministerium BMBF geförderte Projekt lief bis Dezember 2023 und hat eine komplexe VR-Anwendung hervorgebracht, und dessen Anwendbarkeit anhand einer Studie getestet wurde.
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Neuigkeiten
Wir freuen und bedanken uns für die Nominierung von DigiVid19 für den „Poly WebXR Award 2024“ in den Kategorien „Experience of the Year“ und „Mixed Reality Experience of the Year“ Mehr dazu hier (26.02.2024)
DigiVid19-Videos
DigiVid19-Trailer
Hlynur A. Elsuson über DigiVid19
Hlynur ist Physiotherapeut und leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter bei LichterSchatten, hier spricht er über das Potenzial von DigiVid19
Projektinformationen
Förderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung
Federführende Organisation: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Dorothea-Erxleben-Lernzentrum
Vorhabenskosten: 600.000 Euro
Projektlaufzeit: 01/2021 – 12/2023
Projektpartner
Martin-Luther-Universität Katharina Dalko, Sebastian Hofstetter
Prefrontal Cortex Franziska Kinder, Susann Beyer, Paul Kirsten, Christian Freitag (prefrontalcortex.de)
LichterSchatten – Therapiezentrum GmbH
Hlynur A. Elsuson, Alexander Hahn
Details zum Forschungsprojekt DigiVID19
Detaillierter wissenschaftlicher Hintergrund
Seit seinem Beginn Ende 2019 hat COVID19 die Welt in einem immensen Tempo eingenommen und Lücken im Gesundheitssystem und anderen Systemen aufgezeigt. Während die meisten der SARS-CoV-19-Erkrankten lediglich milde oder moderate Symptome zeigen, benötigen etwa 15 Prozent der PatientInnen Sauerstoffunterstützung (vgl. 1). Viele Genesene berichten von einem Post-/Long-COVID-Syndrom. Darüber hinaus klagen PatientInnen nach Ende einer stationären Rehabilitation häufig über post-akut anhaltende Symptome wie Erschöpfung (Fatigue), Atemnot (Dyspnoe) und Gelenk- und Thoraxschmerzen (vgl. 2). Ebenfalls wird über psychische Auffälligkeiten wie Angst und Stress berichtet (vgl. 3).
Daher ist in vielen Fällen im Anschluss an eine stationäre Rehabilitation eine weiterführende ambulante Rehabilitation notwendig, die sowohl physische als auch psychische Problemlagen einschließen (vgl. 4). Normalerweise fänden diese in einem ambulanten Setting – im Rahmen von Einzel- oder Gruppentherapie, in einer Praxis oder einem Rehabilitationszentrum – statt. Durch die anhaltende soziale Distanzierung sind diese Angebote jedoch eingeschränkt, sodass die Notwendigkeit alternativer Behandlungsangebote an Wichtigkeit und Prägnanz gewonnen hat.
PatientInnen können oder möchten zunehmend zu Hause behandelt werden. Diesem starken Anstieg steht u.a. der Fachkräftemangel entgegen, der solche eine Versorgung zunehmend erschwert (vgl. 5). Dies zeigt sich besonders deutlicher auf dem Land: Dort sind die Wartezeiten auf einen Termin zur Physiotherapie meist noch länger als in größeren Städten. Eine mögliche Kompensationslösung für den Fachkräftemangel und die soziale Distanzierung bieten immersive VR-Anwendungen: Sie können die Therapie im virtuellen Raum im häuslichen Lebensumfeld ermöglichen.
Unsere Rolle in dem Projekt (unsere Expertise)
Unsere Aufgabe ist es, das Fachwissen aus der Physiotherapie mit dem externen Wissen aus der Literatur zu verknüpfen. Therapieziele werden unter anderem anhand von Empfehlungen aus Leitlinien erstellt. Aus diesen Therapiezielen, sowie Hinweisen aus der Literatur (die sich mit Covid-19 beschäftigen), wurde ein passendes Therapiekonzept entwickelt, welches zur VR-Anwendung passt. Das Therapiekonzept baut sich somit aus Fachwissen über den allgemein Rehabilitationsprozess sowie aus physiotherapeutische Atemtherapie auf. Die primären Ziele der Anwendung sind es die verminderte Lungenfunktionen nach der Infektion zu verbessern sowie Übungen zur Steigerung der körperlichen Belastbarkeit und Beweglichkeit zu integrieren.
PhysiotherapeutInnen behandeln immer den Menschen und nicht nur die Krankheit: So unterscheiden sich die Therapien oft stark bei verschiedenen PatientInnen, auch wenn diese die gleichen Symptome zeigen. Daher ist es von besonderer Wichtigkeit bei der Entwicklung des Therapiekonzeptes eine möglichst breite Variation an Schwierigkeitsstufen zu berücksichtigen, um die Therapie einer breiten Zielgruppe anbieten zu können.
Phase 1: Bedarfsanalyse und Erstellung des therapeutischen Konzepts
Zu Beginn des Projekts wurde eine Literaturrecherche zu den Maßnahmen und Empfehlungen einer Rehabilitation nach einer SARS-CoV-2-Infektion durchgeführt. Angesichts der Neuheit des Virus zum Zeitpunkt der Recherche wurden auch Literaturquellen zur allgemeinen Lungentherapie und insbesondere zur COPD*-Behandlung berücksichtigt. Basierend auf den Erkenntnissen aus dieser Literaturrecherche wurde ein Therapieplan erstellt. Dieser Plan bildet die Grundlage für die Integration in die eigens entwickelte VR-Anwendung, die speziell auf die Bedürfnisse von COVID-19-PatientInnen zugeschnitten ist.
*COPD: Engl. „chronic obstructive pulmonary disease“ zu Deutsch: chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Phase 2: Iterative Entwicklung und Benutzerfreundlichkeit
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Forschungsergebnisse
Nach drei Jahren intensiver Forschung und Entwicklung freuen wir uns, dass die Ergebnisse dieser Arbeit zu einem innovativen Prototyp für VR-unterstütztes Atemtraining geführt haben. Das Ziel dieses Prototyps ist es, Atemnot in Ruhe und unter Belastung zu lindern, die Beweglichkeit des Brustkorbs zu erweitern und zur Verbesserung der kardiovaskulären Belastbarkeit beizutragen. Um auch zur Entspannung der AnwenderInnen beizutragen, ist die Anwendung in einer optisch und akustisch angenehmen digitalen Umgebung mit Musik gestaltet. Die Anwendung ist hier online verfügbar und kann über den Browser geöffnet werden. Weiterhin sind zwei wissenschaftliche Publikationen aus dieser Arbeit hervorgegangen. Beide wurden bei ausgewählten Fachzeitschriften eingereicht und befinden sich derzeit im Review-Prozess. Wir erwarten gespannt Rückmeldungen von Fachzeitschriften und freuen uns darauf, unsere Erkenntnisse mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu teilen. (Stand: Februar 2024)
Einordnung für LeserInnen ohne wissenschaftlichen Hintergrund
Ohne eigenen wissenschaftlichen Hintergrund fragt man sich vielleicht, wieso nach drei Jahren Forschungsarbeit vermeintlich „nur“ zwei Publikationen und ein Prototyp aus dem Forschungsprojekt hervorgegangen sind. Dies liegt daran, dass sich hinter den sichtbaren Ergebnissen eines Forschungsprojekts eine immense Menge an Arbeit und Zusammenarbeit und ein komplexer und langwieriger Prozess steckt: Die Zusammenarbeit von verschiedenen Disziplinen, das Organisieren von Fokusgruppen und Interviews sowie die Integration unterschiedlicher Perspektiven erfordern Zeit, Organisation und ein hohes Maß an Koordination. Diese unsichtbaren Aspekte sind oft die eigentlichen Herausforderungen und Errungenschaften, die während des Projekts auftreten. Es ist wichtig zu betonen, dass die sichtbaren Ergebnisse nur die Spitze des Eisbergs darstellen und dass der eigentliche Wert und die Bedeutung des Projekts in der Tiefe und Breite der Arbeit liegen, die in die Entwicklung dieser Ergebnisse eingeflossen ist. Besonders vorangehende Recherchen und anschließende wissenschaftliche Methoden zum Überprüfen und Interpretieren der Forschungsergebnisse sind in der Regel sehr zeitaufwändig.
Publikationen
- Exploring Requirements for the Development and Implementation of VR Rehabilitation Programs for Long/Post COVID Patients – A Qualitative Mixed-Methods Study (Preprint)
- VR applications for the implementation of domestic respiratory rehabilitation programs for Long/Post COVID patients: A Scoping Review (Preprint)
Danksagung
„Während der letzten drei Jahre, die wir gemeinsam an dem Projekt DigiVid19 gearbeitet haben, durfte ich viele wunderbare Menschen kennenlernen. Ich möchte mich hiermit herzlich und stellvertretend für das LichterSchatten – Therapiezentrum bei Ihnen allen für die großartige Zusammenarbeit bedanken. Ein besonderer Dank geht an die MitarbeiterInnen des Dorothea-Erxleben-Lernzentrums der Martin-Luther-Universität, die aktiv am Projekt teilgenommen haben. Vielen Dank für eure wissenschaftliche Begleitung und Leitung des Projektes. Ein besonders großer Dank gilt Katharina Dalko: Katharina, wir schätzen
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deine organisatorischen Fähigkeiten, deinen wissenschaftlichen Input und deine zuverlässige Arbeit während des gesamten Projekts sehr. Es war ein Privileg, mit dir zusammenzuarbeiten, Fokusgruppen und Interviews durchzuführen und gemeinsam zwei wissenschaftliche Studien zu verfassen. Die Arbeit mit dir hat mir stets viel Freude bereitet, und ich möchte mich dafür von Herzen bedanken. Ein weiterer Dank gilt den MitarbeiterInnen der Prefrontal Cortex GmbH: Die Art und Weise, wie Ihr den Prototypen mit eurer kreativen Vision zum Leben erweckt haben, war für mich und uns ein wahres Highlight. Die faszinierende Welt, die ihr erschaffen habt, beeindruckt mich und uns zutiefst, und wir sind stolz darauf, dass unser Logo in der Anwendung zu finden ist. Die kontinuierliche Weiterentwicklung und das Wachstum des Projekts haben mir und uns stets große Freude bereitet. Danke Franzi, Danke Susa, Danke Paul, für Ihre herausragende Arbeit!“
Weitere Informationen
- Vorstellung des Projektes durch den Entwickler Prefrontal Cortex
- COVID-19-Reha im virtuellen Raum (BMBF – Innovation & Strukturwandel)
- Entwicklung eines digitalen Therapieansatzes zur Atemtherapie und Stressreduktion nach überstandener COVID-19 Infektion (Translationsregion für digitalisierte Gesundheitsversorgung – TDG)
- DigiVid19 – VR-Anwendung zur Atemtherapie, Stressreduktion und Rehabilitation der Atemwege (Translationsregion für digitalisierte Gesundheitsversorgung – TDG)
Links zuletzt geprüft 02/2024
Warum forschen wir bei LichterSchatten und wie kam es dazu?
Quellenangaben
- Feldt, Torsten; Guggemos, Wolfgang; Heim, Katrin; Lübbert, Christoph; Mikolajewska, Agata; Niebank, Michaela et al. (2021): Hinweise zu Erkennung, Diagnostik und Therapie vonPatienten mit COVID-19. 16th Edited by Robert Koch-Institut. Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger. Berlin. Available online at https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/Stakob/Stellungnahmen/Stellungnahme-Covid-19_Therapie_Diagnose.pdf?__blob=publicationFile, checked on 4/20/2021.
- Carfì, Angelo; Bernabei, Roberto; Landi, Francesco (2020): Persistent Symptoms in Patients After Acute COVID-19. In JAMA. DOI: 10.1001/jama.2020.12603.
- Li, Zhengliang; Zheng, Chanjuan; Duan, Can; Zhang, Yangpu; Li, Qinglin; Dou, Zulin et al. (2020): Rehabilitation needs of the first cohort of post-acute COVID-19 patients in Hubei, China. In European journal of physical and rehabilitation medicine 56 (3), pp. 339-344. DOI: 10.23736/S1973-9087.20.06298-X.
- Spruit, Martijn A.; Holland, Anne E.; Singh, Sally J.; Tonia, Thomy; Wilson, Kevin C.; Troosters, Thierry (2020): COVID-19: Interim Guidance on Rehabilitation in the Hospital and Post-Hospital Phase from a European Respiratory Society and American Thoracic Society-coordinated International Task Force. In The European respiratory journal. DOI: 10.1183/13993003.02197-2020.
- Bundesagentur für Arbeit (2019): Fachkräfteengpassanalyse. With assistance of Anton Klaus, Ralf Beckmann. Edited by Bundesagentur für Arbeit. Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung. Available online at https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/201912/arbeitsmarktberichte/fk-engpassanalyse/fk-engpassanalyse-d-0-201912-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=1, checked on 8/13/2020.
Stand der Informationen dieser Seite: 02/2024