Atemtherapie und Stressreduktion nach überstandener COVID-19 Infektion

DigiVID19 – digitale Physiotherapie auf VR-Basis

Primäres Ziel des Forsch­ungs­pro­jektes „DigiVID19“ ist die Ent­wick­lung einer immer­siven VR-Anwen­dung zur Atem­therapie und Stress­reduk­tion. Dies bezieht sich haupt­säch­lich auf Patient­Innen nach einer über­stan­denen SARS-CoV-19 Infektion, jedoch eigenen sich die inte­grier­ten Übungen auch für andere Lun­gen­krank­heiten wie COPD.

Anfang Januar 2021 ent­stand somit eine Koope­ration aus dem TDG-Bündnis in Halle (Trans­lations­region digi­tali­sierte Gesund­heits­ver­sor­gung), der 2tain­ment GmbH (Soft­ware-Ent­wick­ler aus Magde­burg) und der Lichter­Schatten – Therapie­zentrum GmbH zur ge­mein­samen Ent­wick­lung einer ent­sprech­enden VR-Anwen­dung. Das vom Bundes­forsch­ungs­minis­terium BMBF geför­derte Projekt läuft bis Dezem­ber 2022 und soll eine kom­plexe VR-Anwen­dung her­vor­bringen, dessen Wirk­sam­keit anhand einer Studie ge­testet wird.

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Projektinformationen

Förderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung
Federführende Organisation: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Dorothea-Erxleben-Lernzentrum

Vorhabenskosten: 600.000 Euro
Projektstart: 01/2021

Projektpartner

Martin-Luther-Universität Katharina Dalko, Sebastian Hofstetter
2tainment GmbH Stefan Weyl, Bartol Ruzic
LichterSchatten – Therapiezentrum GmbH
Hlynur A. Elsuson, Alexander Hahn

Details DigiVID19

Detaillierter wissenschaftlicher Hintergrund
Seit seinem Beginn Ende 2019 hat COVID19 die Welt in einem immen­sen Tempo einge­nom­men und Lücken im Gesund­heits­system und ande­ren Sys­temen aufge­zeigt. Wäh­rend die meisten der SARS-CoV-19-Erkrank­ten ledig­lich milde oder mode­rate Symp­tome zeigen, benöt­igen etwa 15 Prozent der Patient­Innen Sauer­stoff­unter­stützung (vgl. 1). Viele Gene­sene berich­ten von einem Post-Covid-Syn­drom. Darüber hinaus klagen Patient­Innen nach Ende einer stati­onä­ren Rehabi­litation häufig über post-akut anhalt­ende Symp­tome wie Erschöpf­ung (Fatigue), Atem­not (Dyspnoe) und Gelenk- und Thorax­schmer­zen (vgl. 2). Eben­falls wird über psych­ische Auf­fällig­keiten wie Angst und Stress berich­tet (vgl. 3). Daher ist in vielen Fällen im An­schluss an eine statio­näre Rehabi­lita­tion eine weiter­füh­rende ambu­lante Rehabili­tation not­wendig, die sowohl phy­sische als auch psych­ische Prob­lem­lagen ein­schließen (vgl. 4). Nor­maler­weise fän­den diese in einem ambu­lanten Setting – im Rah­men von Einzel- oder Gruppen­thera­pie, in einer Praxis oder einem Rehabil­itat­ions­zentrum – statt. Durch die anhalt­ende soziale Distan­zierung sind diese Ange­bote jedoch einge­schränkt, sodass die Not­wendig­keit alter­na­tiver Behand­lungs­ange­bote an Wichtig­keit und Präg­nanz gewon­nen hat. Patient­Innen können oder möchten zuneh­mend zu Hause behan­delt werden. Diesem starken Anstieg steht u.a. der Fach­kräfte­mangel ent­gegen, der solche eine Ver­sorg­ung zuneh­mend er­schwert (vgl. 5). Dies zeigt sich beson­ders deut­licher auf dem Land: Dort sind die Warte­zeiten auf einen Termin zur Physio­therapie meist noch länger als in größ­eren Städten. Eine mög­liche Kompen­sa­tions­lös­ung für den Fach­kräfte­mangel und die soziale Distan­zier­ung bieten immer­sive VR-Anwen­dungen: Sie können die Therapie im virtu­ellen Raum im häus­lichen Lebens­umfeld ermög­lichen.
Unsere Rolle in dem Projekt (unsere Expertise)
Unsere Aufgabe ist es, das Fach­wissen aus der Physio­therapie mit dem exter­nen Wissen aus der Litera­tur zu ver­knüpfen. Therapie­ziele werden unter ande­rem an­hand von Empfeh­lungen aus Leit­linien erstellt. Aus diesen Thera­pie­zielen, sowie Hin­weisen aus der Litera­tur (die sich mit Covid-19 beschäf­tigen), wurde ein passen­des Therapie­konzept ent­wickelt, welches zur VR-Anwen­dung passt. Das Thera­pie­konzept baut sich somit aus Fach­wissen über den allge­mein Rehabili­tations­pro­zess sowie aus physio­thera­peut­ische Atem­thera­pie auf. Die pri­mären Ziele der Anwen­dung sind es die vermin­derte Lungen­funk­tionen nach der Infek­tion zu ver­bessern sowie Üb­ungen zur Steige­rung der körper­lichen Belast­bar­keit und Beweg­lich­keit zu inte­grieren. Physio­thera­peut­Innen behan­deln immer den Men­schen und nicht nur die Krankheit: So unter­scheiden sich die Thera­pien oft stark bei verschie­denen Patient­Innen, auch wenn diese die gleichen Symp­tome zeigen. Daher ist es von beson­derer Wichtig­keit bei der Ent­wick­lung des Therapie­konzep­tes eine mög­lichst breite Varia­tion an Schwierig­keits­stufen zu berück­sich­tigen, um die Thera­pie einer breiten Ziel­gruppe anbieten zu können.
Phase 1: Erklärung finales Produkt (VR-Anwendung als Heilmittel im Heilmittelkatalog)
Der Fachkräfte­mangel in der Physio­thera­pie fordert neue Behand­lungs­ange­bote. Eine VR-Anwen­dung bietet die Mög­lich­keit die Patient­Innen in eine kom­plett neue Um­welt zu trans­por­tieren, wo­durch die Immer­sion (fach­sprach­lich für Ein­tau­chen) steigt. Dies kann dazu führen, dass die Patient­Innen mehr Freude an den Üb­ungen finden und diese somit moti­vierter durch­führen. Darüber hin­aus wird mit einem soge­nann­ten Puls­oxy­meter (mobiles Mess­gerät) der Puls und die Sauer­stoff­sättig­ung über­wacht. Somit können die Üb­ungen auch zu Hause sicher durchge­führt werden.
Phase 2: Anwendungsphase: Wie wird das überprüft?

Nach einer syste­matische Evalua­tion der gesam­mel­ten Litera­tur zu den Maß­nahmen und Empfeh­lungen einer Rehabi­lita­tion nach einer SARS-CoV-19 Infek­tion wird ein erster Thera­pie­plan erstellt. Dieser erste Thera­pie­plan wird digital abge­bildet, sodass eine eigen­stän­dige Durch­füh­rung der physio­thera­peut­ischen Atem­therapie er­mög­licht wird. 

Die Anwen­dung wird anhand zweier Studien getes­tet. Zuerst wird eine Usa­bility-Studie durch­ge­führt: Diese erfolgt durch quali­tative Inter­views von Patient­Innen und Physio­thera­peut­Innen im An­schluss an einen ersten Proto­typen-Test der Anwen­dung. Die erhob­enen Infor­ma­tionen werden an­schließ­end ver­wen­det, um diese erste Version der VR-Anwen­dung zu opti­mieren.

Die Wirk­sam­keit der Anwen­dung wird an­hand einer zwei-armigen Studie getes­tet, an der ca. 50 Patient­Innen (welche unter Post-akuten Covid-19 Symp­tomen leiden) teil­nehmen. Wäh­rend die Patient­Innen aus der Inter­ventions­gruppe die VR-Anwen­dung mit nach Hause nehmen und sie über einen Zeit­raum von sechs Wochen hin­weg ver­wen­den, bekommt die Kon­troll­gruppe während­dessen keine Inter­vention. So soll fest­ge­stellt werden, ob VR-Anwen­dung zur Gene­sung bei­tragen kann.

Ausblick für anschließende Forschungsprojekte

Forschungs­projekte werden häufig mit Uni­versi­täten, Hoch­schulen oder Forsch­ungs­institu­tionen ver­bunden – selten wird dabei an ambu­lante thera­peut­ische Ein­rich­tungen gedacht. Auch für das Lichter­Schatten – Thera­pie­zen­trum ist „DigiVID19“ das erste Forsch­ungs­pro­jekt. Auf den Erfahr­ungen, die wir in diesem Pro­jekt sammeln, wollen wir an­schließ­end auf­bauen, um in Zu­kunft eine Viel­zahl an weiteren Forsch­ungs­pro­jekten umzusetzen.

Die Physio­therapie ist ein kom­plexer und enger Prozess zwischen Patient­Innen und Thera­peut­Innen: In der oft heraus­for­dernden Zeit der Behand­lung, werden nicht nur kör­per­liche Beschwer­den behan­delt. Darüber hinaus muss der/die Thera­peutIn auch in der Lage sein, psycho­log­ische Hilfe­stell­ung zu leisten. Nur durch die gründ­liche Forsch­ung der letzten Jahre konnte sich das Ver­ständnis des Berufs­bildes Physio­thera­peut­Innen von dem/der MasseurIn oder sogar der „Knet-Maus“ (wie sie manch­mal ab­fällig be­zeich­net werden) zu echten Ex­perten des Beweg­ungs­appa­rates ent­wickeln, welche die Ein­flüsse von physi­kal­ischen und psych­ischen auf den Kör­per ver­stehen.

Thera­peut­ische Forsch­ung ist eine junge und wach­sende Dis­ziplin in Deutsch­land. Als junges Therapie­zentrum, mit einem wach­senden Anteil von aka­demi­sierten Mit­ar­beit­er­Innen, wollen wir unseren Bei­trag zum Wissens­auf­bau über thera­peut­ische Maß­nah­men in einem ambu­lanten Setting leis­ten. Damit wollen wir nicht nur dazu bei­tragen, dass sich die Behand­lungen für unsere Patient­Innen kontinu­ier­lich verbessern, sondern auch das Berufs­bild und den Arbeits­markt für künf­tige Gene­ra­tionen in der Branche mitge­stalten.

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Warum forschen wir bei LichterSchatten und wie kam es dazu?

Weitere Infor­mationen

Quellenangaben
  1. Feldt, Torsten; Guggemos, Wolfgang; Heim, Katrin; Lübbert, Christoph; Mikolajewska, Agata; Niebank, Michaela et al. (2021): Hinweise zu Erkennung, Diagnostik und Therapie vonPatienten mit COVID-19. 16th Edited by Robert Koch-Institut. Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger. Berlin. Available online at https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/Stakob/Stellungnahmen/Stellungnahme-Covid-19_Therapie_Diagnose.pdf?__blob=publicationFile, checked on 4/20/2021.
  2. Carfì, Angelo; Bernabei, Roberto; Landi, Francesco (2020): Persistent Symptoms in Patients After Acute COVID-19. In JAMA. DOI: 10.1001/jama.2020.12603.
  3. Li, Zhengliang; Zheng, Chanjuan; Duan, Can; Zhang, Yangpu; Li, Qinglin; Dou, Zulin et al. (2020): Rehabilitation needs of the first cohort of post-acute COVID-19 patients in Hubei, China. In European journal of physical and rehabilitation medicine 56 (3), pp. 339-344. DOI: 10.23736/S1973-9087.20.06298-X.
  4. Spruit, Martijn A.; Holland, Anne E.; Singh, Sally J.; Tonia, Thomy; Wilson, Kevin C.; Troosters, Thierry (2020): COVID-19: Interim Guidance on Rehabilitation in the Hospital and Post-Hospital Phase from a European Respiratory Society and American Thoracic Society-coordinated International Task Force. In The European respiratory journal. DOI: 10.1183/13993003.02197-2020.
  5. Bundesagentur für Arbeit (2019): Fachkräfteengpassanalyse. With assistance of Anton Klaus, Ralf Beckmann. Edited by Bundesagentur für Arbeit. Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung. Available online at https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/201912/arbeitsmarktberichte/fk-engpassanalyse/fk-engpassanalyse-d-0-201912-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=1, checked on 8/13/2020.

Stand der Informationen dieser Seite: März 2022